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«Bei den Airbags wird noch viel kommen»
Interview: Markus Held, CEO von Held Biker Fashion
Vom Modehandschuh zum internationalen Vollanbieter für hochwertige Motorradbekleidung – und das in weniger als 50 Jahren Geschichte. Das ist der Familienbetrieb Held mit Sitz im deutschen Allgäu. Als Importeur von Held durften wir mit Geschäftsführer Markus Held – seinerseits in der 3. Generation - über die Herausforderungen des Töffbusiness‘ sprechen und erfahren, was wir in Zukunft von der Motorradbekleidung erwarten dürfen. Wer das ganze Interview lesen will, scannt den QR-Code und findet unter moto-center.ch noch mehr Informationen zu dieser spannenden Marke.
Wie werden Produkte entwickelt oder wie kommen diese Produkte von Deutschland zu uns in die Schweiz?
Das fängt mit der Idee an. Doch woher kommt die Idee? Das ist natürlich immer eine Mischung zwischen Erfahrung und „was könnte man alles brauchen“. Selbstverständlich geben auch Kunden und Importeure Feedback. Wir halten auch die Augen offen, was unsere Mitbewerber machen.
Wenn wir dann eine Idee haben, gibt es einen Produktausschuss bei uns, der die Ideen nochmal filtert und auf Erfolg bewertet. Es ist nicht jede Idee gleichzeitig auch ein sinnvolles Produkt, weil es ja letztendlich auch um eine gewisse Marktfähigkeit geht. Man muss sich dann überlegen, „kann ich dieses Produkt überhaupt zu einem konkurrenzfähigen Preis herstellen“ und „verkaufen wir auch eine entsprechende Menge?“, dass sich die Entwicklungskosten und auch die ganze zeitliche Investition lohnen. Dann kommt der Punkt, wo es losgeht: am Anfang erstmal mit Designs von professionellen Designern oder mittlerweile auch KI (Anm. d. Red.: Künstliche Intelligenz). Wir haben die ersten Produkte auch schon von KI machen lassen. Das hat auch wunderbar funktioniert. Zeitlich reden wir - je nach Komplexität von einem Produkt – von einer Entwicklungszeit von 15 bis 25 Monaten. Mit 15 Monaten sind wir natürlich schon sehr schnell. Von der Zeichnung macht man den ersten Prototypen, dann macht man den zweiten, den dritten und schliesslich kommen die Grössenmuster dazu – sogenannte "Fitting Samples". Ganz zum Schluss müssen wir das Rohmaterial kaufen und auch noch den Artikel produzieren lassen. Dann kommt nochmal die Verschiffungszeit aus dem Herstellerland, meistens Asien oder Fernost, dazu. Von dem her sind 15 Monate schon die absolute Untergrenze. Das ist eigentlich nur möglich, wenn man auf einem bestehenden Produkt aufbaut und zum Beispiel dieses ein Update bekommt, ähnlich wie Facelift Modelle bei Motorrädern und Autos. Wenn wir von einer kompletten Neuentwicklung sprechen, dann reden wir natürlich definitiv von 2 Jahren und mehr, wie zum Beispiel bei einem Endurostiefel, der sehr viel Plastikteile hat.
Dann haben wir das Produkt irgendwann bei uns im Zentrallager und wir schicken es an unsere Händler, Importeure oder eben in unseren Direktvertrieb.
Könnt ihr, wenn die Nachfrage besonders gross ist, auf ein riesiges Zentrallager zurückgreifen resp. innert wenigen Wochen wiederbestellen oder wie sieht das aus?
Nein, das geht leider überhaupt nicht. Die Wiederbeschaffungszeiten sind ungefähr 9 bis 10 Monate. Also wenn ich heute merke „Mensch, das Produkt X verkauft sich ja mehr als ich geplant habe“, dann ist eigentlich die Saison schon wieder vorbei. Deshalb ist eine gute Planung nötig. Aber natürlich auch frühes Feedback von unseren Händlern und Importeuren. Die sagen uns, was sie von einem Produkt halten. Zum Beispiel kannibalisiert das Produkt X vielleicht das Produkt Y. Wenn man z.B. eine neue Jacke verkauft, verkauft man vielleicht von der mehr, aber von der anderen weniger. Das sind genau die Fragen, um immer den optimalen Lagerbestand und optimale Verfügbarkeit zu haben. Eigentlich ist das die grösste Herausforderung, weil „Just in Time“ ist bei uns gar nichts.
Wo produziert ihr eure Produkte?
Wir sind da sehr breit aufgestellt. In Deutschland machen wir Kleinserien von ganz ausgewählten Produkten. Aber was wir in Deutschland machen, ist hauptsächlich die Entwicklung und die Vorproduktion von wichtigen Rohstoffen. Das hat den Hintergrund, dass wir die Passform unserer Handschuhe komplett im Griff haben wollen. Wir bereiten aber auch andere Rohstoffe vor, die wir in Europa kaufen und dann zur Näharbeit ins Ausland schicken.
Unsere Nähwerksstätten in Europa sind in der Ukraine, Ungarn und Portugal. Dann sind wir in Asien unterwegs, allen voran Vietnam, Indonesien, China. Was wir als Einstiegsproduktion definieren, produzieren wir auch in Pakistan.
Welche Trends siehst du aktuell? Wie bekommen neue Materialien zum Einsatz?
Da gibt es einiges, über das ich jetzt heute noch nicht sprechen kann, aber grundsätzlich gibt es ja schon Trends, die ganz klar zu erkennen sind. Die Bekleidung wird immer leichter. Und da geht der Trend hin, dass weniger mehr ist. Aber nur im Komfort. Natürlich darf nicht bei der Sicherheit gespart werden und das ist definitiv die grosse Herausforderung. Die Protektoren zum Beispiel werden immer dünner. Aber auch die Materialien werden immer dünner, weil stretchiger. Sie müssen aber gleichzeitig eine hohe Abrieb- und Reissfestigkeit haben.
Der mit Abstand spannendste Bereich ist das Thema Airbag. In diesem Bereich arbeiten wir seit fast einem Jahrzehnt mit dem Marktführer für elektronische Airbag-Systeme In&motion zusammen. Die Verbreitung ist aktuell noch in den „Kinderschuhen“. Wobei ein starkes Wachstum zu erkennen ist. In einigen Jahren gehören sie zur Standardausrüstung. Technisch sind sie schon sehr weit fortgeschritten. Da wird die nächsten Jahre sogar noch sehr, sehr viel kommen.
Ist das ein Thema nur für hartgesottene Renn- und Paris-Dakar Rally-Fahrer?
Nein, überhaupt nicht. Natürlich gibt es gewisse Rennstrecken, auf die du nur noch mit Airbag drauf darfst. Aber der Grossteil sind Kunden, die ganz normal auf der Strasse fahren, so wie du und ich.
Die Benutzerfreundlichkeit und Technik hat sich stark verändert.
Ja, definitiv. Die ersten Airbags waren noch mit manueller Reissleine, d.h. eigentlich mit "mechanischer" Auslösung. Das war ungefähr vor 10 Jahren. Jetzt sprechen wir von elektronischen Airbags mit unterschiedlichen Modi für Strasse, Rennstrecke, Adventure und Motocross. Und da wird noch mehr kommen. Das ist schon eine beeindruckende Entwicklung, die dieser Markt in den letzten 10 Jahren gemacht hat.
Unser Partner in&motion, hat einen Algorithmus, der Stürze sehr zuverlässig erkennt. Ich fahre gerne Offroad und im Dreck. Da habe ich die Airbags auch schon ausprobiert und das funktioniert wunderbar. Stürze werden beim Adventurefahren sehr gut erkannt und der Airbag verhindert so schwerwiegende Verletzungen.
Ich habe es vorhin schon erwähnt, da wird noch sehr viel kommen in den nächsten Jahren. Ich bin mir sicher, dass in 10 Jahren ein Airbag genauso zum Standard einer Motorradausrüstung gehört, wie heute eine gute Jacke.
Noch zwei persönliche Fragen zum Abschluss: wieviel fährst du noch konkret so?
Ich habe eine Ténéré 700 und einige KTM’s für den Dreck, primär fürs Offroadfahren in Italien mit Freunden und Familie. Ich nutze meine Freizeit gerne, um Offroad zu fahren und da kommt natürlich die grosse Leidenschaft her, aber ich bin nicht der Kilometerfresser, da haben wir auch andere im Unternehmen, die wirklich Kilometer fressen.
Und jetzt noch ein Blick in die in deine Garderobe - hast du auch Fremdmarken hängen oder nur Held?
Nein. Nur Held, ausser beim Helm.
Anzahl Mitarbeiter: | 130 Mitarbeiter |
Umsatz 2024: | € 35 Mio im Bereich Motorrad |
Geschäftsfelder: | Motorradbekleidung, Work Protektion |
Wie viele Länder beliefert ihr? | 40 Länder auf 5 Kontinenten. |
Anzahl Produkte (aktuell) im Sortiment: | rund 400 Produkte |
Firmenbesitz: | Im Familienbesitz (4 Gesellschafter) |
Stammsitz: | 4 Standorte im Oberallgäu in Deutschland |
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